Die Autobiographischen Aufzeichnungen Hermann Weinsbergs – Digitale Gesamtausgabe
Nörgelnde und geschwätzige ältere Männer sind kein reines Phänomen unserer Zeit, sondern haben auch schon im 16. Jahrhundert Quellen hinterlassen. Ein Vertreter, der jedoch höchstens mit seinem Spätwerk in diese polemische Kategorie fällt, ist der Kölner Bürger und Ratsherr Hermann Weinsberg (1518–1597), der mit seinen autobiographischen Aufzeichnungen ein herausragendes Quellenkorpus hinterlassen hat. Um dieses Zeugnis stadtkölnisch-bürgerlicher Chronistik in seiner gesamten Breite der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, wurde im Projekt „Die Autobiographischen Aufzeichnungen Hermann Weinsbergs – Digitale Gesamtausgabe“ vom Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Bonn (unserem institutionellen Vorgänger) von 2002 bis 2007 eine Online-Edition der Aufzeichnungen Weinsbergs erstellt.
Das Projekt fußt auf den drei Gedenkbüchern (Liber iuventutis, Liber senectutis, Liber decrepitudinis) des Kölner Ratsherren, in denen er auf mehreren Tausend Blatt seine Lebenszeit schildert. Weinsberg berichtet dabei über ganz unterschiedliche Dinge wie tagesaktuelle Geschehnisse in und um Köln, aber auch persönliche und familiäre Angelegenheiten sowie Vorkommnisse im Alten Reich. Dabei sind die Beiträge ab dem Liber senectutis in tagebuchartiger Form verfasst und nehmen mit zunehmendem Alter des Chronisten immer ausschweifendere Formen an. Gerade für die jüngere alltags- und mentalitätsgeschichtliche Forschung bieten diese privaten Mitteilungen daher vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten. Eine besondere Stärke der Quelle ist sicherlich deren Glaubwürdigkeit. Weinsbergs Aufzeichnungen sind nur für einen potentiellen Nachfolger verfasst und seine eigene Selbstverpflichtung „das sulches war sei“ hält er ein, denn seine Schilderungen – auch ihn persönlich betreffende Angelegenheiten – stehen nicht in Konkurrenz zu anderen Überlieferungen wie beispielweise den Kölner Ratsprotokollen.
Das digitale Editionsprojekt führt nicht nur Studierende und Forschende in die Kölner und Rheinländische Lebens- und Sprachwelt des 16. Jahrhunderts, sondern hält auch für einen breiten Rezipient*innen-Kreis eine ansprechende Quellenlektüre bereit.
Autor*in: D. Schulte