Forschung

Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte – Prof. Dr. Christine Krüger

Laufende Forschungsprojekte

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Christine Krüger

Das Projekt behandelt den französischen Mexikofeldzug und die damit verbundenen Bemühungen Frankreichs, in Mexiko eine Kaiserreich zu etablieren. Gefragt wird in transnationaler Perspektive, welche Implikationen die französische Intervention in Mexiko für die Entwicklung der Staatsform der Monarchie besaß. Die Bedeutung der Monarchie im 19. Jahrhundert hat in den letzten Jahren in der globalhistorischen Forschung verstärkt die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Eine eher traditionelle Sicht repräsentiert hier Jürgen Osterhammel, der in der „Verwandlung der Welt“ eine „weltweite Tendenz zum monarchischen Niedergang“ konstatiert. Er beruft sich dabei darauf, dass die monarchische Staatsform seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert durch den Trend zur Liberalisierung und Demokratisierung immer mehr unter Druck geriet.

Allerdings haben in letzter Zeit Historiker vermehrt auf die ungeheure Beharrungskraft der monarchischen Staatsform bis in das 21. Jahrhundert hinein hingewiesen. Vor diesem Hintergrund die Bedeutung des französischen Mexikofeldzugs und der damit verbundenen Ambitionen neu auszuloten: Denn deren Scheiteren wirkte sich in Frankreich ebenso wie in Europa allgemein nur geringfügig auf das Ansehen der monarchischen Staatsform aus. Denn auch wenn der Rückzug aus Mexiko letztlich den Niedergang des zweiten französischen Kaiserreichs einleitete, deutete ihn  allein eine kleine als siegreiche Selbstbehauptung der Republik. Ansonsten sahen sich viele Zeitgenossen eher in ihrer Überzeugung bestätigt, dass republikanischen Verfassungen ein hohes Gefahrenpotenzial innewohne. In weiten Kreisen empfand man Abscheu vor der Hinrichtung des mexikanischen Kaisers Maximilians und erblickte in dem Ende seines Imperio vor allem einen schimpflichen Triumph von Anarchie und Barbarei. Der mexikanische Präsident Benito Juarez war Indio, und so verliehen rassistische Vorstellungen, wie sie in dieser Zeit in Europa an Virulenz gewannen, dieser Deutung zusätzliche Kraft. Sogar einer der erbittertsten Gegner Napoleons III., der überzeugte Republikaner Victor Hugo, warnte Juarez in einem Brief eindringlich davor, Maximilian das Leben zu nehmen: Denn seine Hinrichtung würde die moralische Niederlage der Republik bedeuten.

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Christine Krüger

Hausbesetzungen sind eine riskante Form des Wohnens. Die Bereitschaft von Hausbesetzern, mit dem Risiko zu leben, in rechtliche Schwierigkeiten zu geraten, könnte als Beleg für die abnehmende Bedeutung des Wertes der Sicherheit interpretiert werden. Die Untersuchung der Hausbesetzerbewegungen in Hamburg und London in den 1970er und frühen 1980er Jahren zeigt jedoch, dass in Sicherheit als Wert für sie durchaus eine wichtige Rolle spielte, wenngleich diese sehr auf sehr unterschiedliche Weise wahrgenommen und verstanden wurde. Das Projekt untersucht die verschiedenen Sicherheitsentwürfe, die nicht in den Hausbesetzerbewegungen selbst, sondern auch in Reaktion auf diese verhandelt und umzusetzen versucht wurden.

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Christine Krüger

Der im 19. Jahrhundert zunehmend virulenter werdende Nationalismus verstand die Nation als einen übergeordneten Letzwert, für den ihre Angehörigen gegebenenfalls auch in den Tod ziehen sollten. Juden setzte dies unter Bekenntnisdruck, denn Emanzipationsgegner argumentierten immer wieder, dass ihrer Loyalität im Kriegsfall kein Vertrauen zu schenken sei. Die Mehrheit der europäischen Juden reagierten angesichts dieser Zweifel mit einem eindeutigen patriotischen Bekenntnis zu ihrer jeweiligen Heimatnation. Gleichzeitig jedoch erkannten viele von ihnen aufgrund ihrer Außenseiterposition die Janusköpfigkeit des Nationalismus klarer als andere Zeitgenossen. Das Projekt untersucht, wie sich dies auf ihre Sichtweisen von Krieg und Frieden auswirkte.

Projektverantwortlicher: Dr. Amerigo Caruso

Das Projekt will die neueren Ergebnisse transnationaler und vergleichender Studien über die Revolutionen des 19. Jahrhunderts diskutieren und im Rahmen eines dreijährigen Forschungs-programms weiterentwickeln. Es handelt sich hier um ein deutsch-französisch-italienisches Netzwerk unter meiner Leitung, das bis 2024 durch die DFG finanziert wird. Der bewusst gewählte, lange Untersuchungszeitraum, der die Jahrzehnte zwischen der Amerikanischen Revolution (1776) und der Pariser Kommune (1871) umfasst, ermöglicht es, die mittel- und langfristigen Folgen von Transfer und Verflechtung in den Blick zu nehmen und damit die bereits gut erforschten kurzfristig-synchronen Entwicklungen neu zu perspektivieren.

Projektverantwortlicher: Dr. Amerigo Caruso

In der Sattelzeit nahmen die mediale Resonanz und die überregionalen Auswirkungen von Revolutionen, Staatsreformen und diplomatisch-militärische Krisen kontinuierlich zu. Um die Zerreißprobe disruptiver Umbrüche zu meistern, revitalisierte der Adel das tradierte Dienstethos gegenüber der Monarchie, die fachlichen Kompetenzen als Offiziere, Hofchargen und hohe Staatsbeamte, die starken Familienverbände sowie das Engagement in der Kirche und in den wissenschaftlichen Akademien. Das DFG-geförderte Projekt hat das Ziel, den Adel als resiliente Einheit in einer revolutionären Übergangsepoche zu untersuchen. Im Fokus stehen Adelsfamilien in den europäischen Mittelstaaten Sardinien-Piemont, Sachsen und Dänemark, die als repräsentative Beispiele von binneneuropäischen „Semiperipherien“ im Kontext der globalen Sattelzeit aufgefasst werden. Bis 2024 wird in diesem Zusammenhang auch eine Dissertation entstehen, der Projektmitarbeiter Severin Plate hat seine Tätigkeit im Oktober 2021 begonnen.

Laufende Habilitationsprojekte

Die bisherige Forschung hat sich überwiegend auf politisch-rechtliche und verfassungsgeschichtliche Aspekte des Ausnahmezustands konzentriert und dabei vor allem die Machterweiterung von Staatsorganen sowie rechtstheoretische Debatten untersucht. So ist die Mehrheit der Studien aus (national-)staatlicher Perspektive angelegt. Im Rahmen des vorliegenden Projekts werden bisherige Zugänge in zweifacher Hinsicht erweitert. Mit Blick auf Frankreich, Deutschland, Italien und ihre kolonialen Imperien stehen zum einen transnationale Verflechtungen von Normen, diskursiven Mustern und politischen Handlungsrepertoires des Ausnahmezustands im Fokus. Zum anderen untersucht das Projekt mediale Inszenierungen, gesellschaftliche Rezeptionen und die Konstruktion außerordentlicher Krisensituationen anhand von sozialen Ungleichheitskategorien wie gender, class und race. Die Wahrnehmung bestimmter Krisen und Konflikte als Ausnahmezustand wird hier als Produkt geschlechterspezifischer Zuschreibungen, rassistischer und sozialer Stigmatisierungen aufgefasst. Diese transnationalen und gesellschaftshistorischen Dimensionen des Ausnahmezustands werden anhand von Fallstudien untersucht, die in einen langen Untersuchungszeitraum eingebettet sind: vom Zeitalter der Revolutionen um 1800 bis hin zum verstärkten postkolonialen und demokratischen Wandel in den „langen“ 1960er Jahren. Damit analysiert das Projekt unterschiedliche Kontexte der Expansion, Intensivierung und Transformation des Ausnahmezustands im 19. und 20. Jahrhundert und fragt nach zeitspezifischen Ausprägungen sowie diachronen Zusammenhängen.

Laufende Dissertationsprojekte

Eigenständige Ausstellungen von und für Frauen im 19. Jahrhundert außerhalb des Kontexts der Weltausstellungen wurden bisher lediglich vereinzelt und fast ausschließlich in nationalen Kontexten untersucht. Das lässt ein bedeutendes Kommunikationsmittel zur Verbreitung emanzipatorischer Ideen und Vorstellungen beinahe gänzlich unbeachtet. Das Dissertationsprojekt befasst sich mit der Bedeutung solcher Ausstellungen in einem transnationalen Rahmen als Medium, über das Frauen öffentlich Position beziehen und sich für ihre Belange einsetzen konnten. Daran anknüpfend soll der Stellenwert solcher Verbindungen für emanzipatorische Interessen außerhalb der organisierten Frauenbewegungen beleuchtet werden. Vor diesem Hintergrund werden deutsche und britische Ausstellungen untersucht, wodurch eine zentrale Ebene der engen kulturellen Verbindungen zwischen Großbritannien und dem Deutschen Kaiserreich sichtbar wird. Die in dem Projekt berücksichtigten Ausstellungen, die maßgeblich von Frauen gegen Ende des 19. Jahrhunderts konzipiert wurden, interpretieren und präsentieren auf unterschiedliche Weise das Thema der weiblichen (Erwerbs-)Arbeit. Auf dieser Basis werden in einem zweiten Schritt Netzwerke individueller und kollektiver Akteure in den Blick genommen, die eine Entstehung erweiterter Handlungsspielräume verdeutlichen.

Beschreibung folgt.

Als Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit (1972-1976) unter den Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt wurde Katharina Focke große öffentliche Aufmerksamkeit zuteil. Es war aber vor allem die Europäische Integration, welche bereits im jungen Erwachsenenalter durch den Einfluss ihres Vaters, des Kolumnisten und zeitweiligen Präsidenten der Europa-Union, Ernst Friedlaender, zu einer Grundmelodie des politischen und persönlichen Lebens von Focke werden sollte. Nach ihrem frühen Engagement in der europäischen Bewegung, wie etwa als Geschäftsführerin des Bildungswerks für europäische Politik, wurde sie ab 1964 durch den Beitritt zur SPD auch parteipolitisch aktiv. So war sie als erste Staatssekretärin eines Bundeskanzlers (1969-1972) unter Willy Brandt vor allem für Europapolitik zuständig und kandidierte bei der Europawahl 1984 für die SPD als erste weibliche Spitzenkandidatin.

Vor allen Dingen folgende Fragen sollen untersucht werden: Konnte Katharina Focke ihre europapolitischen Vorstellungen sowohl im Bundestag als auch im Europaparlament umsetzen? Inwiefern hatte Katharina Focke als weibliche Spitzenpolitikerin in den 1970er Jahren einen eingeschränkteren Handlungsspielraum als ihre männlichen Kollegen und solidarisierte sie sich mit der Frauenbewegung innerhalb ihrer eigenen Partei und darüber hinaus? Steht Focke symbolisch für den weiblichen Generationswechsel innerhalb der SPD in den 1960er und 1970er Jahren, im Zuge dessen nun vermehrt Akademikerinnen und Feministinnen der Partei beitraten und diese mitgestalteten?

Nationale Gedenktage nehmen eine zentrale Rolle im kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft ein. Als Kristallisationspunkte zeigen sie das Verhältnis eines Staates zu seiner Vergangenheit und damit zu sich selbst; intime, individuelle Emotionen werden öffentlich auf das Kollektiv übertragen und in Ritualform begangen. Ziel des Dissertationsprojekts ist es, eine aktuelle, theoretische gestützte und transnational vergleichende Perspektive auf nationale Gedenktage zu schaffen. Dazu werden die zentralen staatlichen Veranstaltungen anlässlich jährlich wiederkehrender offizieller Gedenktage mit Weltkriegs- oder Holocaustbezug in der Bundesrepublik und Großbritannien seit 1945 untersucht. In einem asymmetrischen Vergleich werden inszenatorische und narrative Praktiken der Geschichtspolitik sowie die jeweilige nationale Prägung des Gedenkakts in den Fokus genommen.

Großbritannien eignet sich als Kontrastpunkt insbesondere aufgrund der offensichtlichen Unterschiede wie der Siegerperspektive und der Monarchie. Es sind aber auch auffällige Gemeinsamkeiten in den Partizipationsstrukturen zu entdecken, die einen Vergleich gewinnbringend erscheinen lassen. Der Untersuchungszeitraum reicht bewusst bis in die Gegenwart, da das junge 21. Jahrhundert bereits neue transnationale Gedenktage, entscheidende Wandlungsprozesse und intensive öffentliche Diskussionen um die Ausrichtung und Ausgestaltung nationalen Trauerns gesehen hat, die nicht außen vor gelassen werden sollen.

Dieses Projekt wird als co-tutelle mitbetreut von Prof. Riccardo Bavaj, University of St Andrews.

Beschreibung folgt.

This study investigates the interface between German health policies and the indigenous health system in North-eastern Africa from 1884 to 1914.  It is an attempt to uncover the rich but under research topic in German colonial history by examining the interplay of German and indigenous health systems in North-Eastern Tanzania, in the former German East Africa. Specifically, the study examines Indigenous health system plea to colonization in North-eastern Tanzania, the imposition of German health system and policies during German colonial era in North-eastern Tanzania. Equally, it analyzes the reactions of indigenous people towards German health policy and investigates how these two-health care systems co-existed, conflicted or deviated from each other. The research data will come from oral interviews and archival records. It is expected that this kind of history that will be an outcome of this study will be of benefit to the public, researchers, and scholars interested in researching the history of German health system and medical history in general. Furthermore, the government and other institutions will benefit from this research, as it will chart the degree of co-existence and deviation of the health systems of both German and indigenous and learn how the challenges have been dealt with over time.

Die Dissertation entsteht im Rahmen des DFG-Projektes „Resilienz und Vulnerabilität. Europäische Adelsfamilien in Zeiten revolutionärer Umbrüche 1760-1830“ von Amerigo Caruso, welches sich mit Anpassungsleistungen und Bewältigungsstrategien adliger Familiennetzwerke beschäftigt.
Als Fallbeispiel dient ein Adelsnetzwerk um die Familien Reventlow, Bernstorff, Schimmelmann und Stolberg, welche im Dänischen Gesamtstaat während des betrachteten Zeitraums eine entscheidende Rolle in Politik und Verwaltung einnahmen. Dies entspricht dem Schwerpunkt des Projektes im Bereich der europäischen Semiperipherie und ist auch deshalb von besonderem Interesse, da sich die Dänische Monarchie nach einer besonders langen Friedenszeit in den Wirren der Napoleonischen Kriege, und an deren Ende auf der Seite der Verlierer wiederfand.
Gefragt wird nach Verwandtschaftsstrukturen und ihrer Wirksamkeit in Reaktion und Umgang mit disruptiven und krisenhaften Ereignissen. Dabei sollen Theorien aus der Familienresilienzforschug einen neuen methodischen Zugang zur Adels- und Verwandtschaftsforschung am Übergang in das 19. Jahrhundert bieten.

Die Schulen Nordrhein-Westfalens wurden in den zehn Jahren zwischen 1968 und 1978 beispiellos reformiert: Die sozialliberale Koalition in Düsseldorf veränderte die Volksschule, die Lehrerausbildung, die politische Bildung, die gymnasiale Oberstufe und verfolgte das Vorhaben, das dreigliedrige Schulsystem durch eine integrierte Gesamtschule zu ersetzen. Das alles stieß in der Bevölkerung an Rhein und Ruhr nicht ausschließlich auf Zustimmung. Das Ziel meiner Arbeit ist es, die Argumente der Befürworterinnen und Befürworter und der
Gegnerinnen und Gegner dieser Reformen herauszuarbeiten und in den Kontext der damaligen gesamtgesellschaftlichen Debatten einzuordnen. Meine These ist, dass etwa die Einführung der Gesamtschule und die Neujustierung der politischen Bildung deshalb derart umstritten waren, weil sie nicht nur auf Chancengleichheit abzielten, sondern ganz verschiedene Bereiche verändern wollten, wie etwa die Autoritätsverhältnisse zwischen Lehrenden und Schülerinnen und Schülern. Neue Schulleitungs- und Unterrichtsformen sollten eingeübt und eine neue Erziehung zur „Mündigkeit“ bzw. „Emanzipation“ eingeführt werden. Dies, so meine Vermutung, gab beiden Reformen den Ruch ideologischer Projekte und trug zur parteipolitischen Polarisierung und Schärfe der Gegenreaktionen bei. Ob sich dieser Eindruck durch die Quellen bestätigen lässt, wird die Leitfrage meiner Untersuchung sein.

Tagungen

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Christine Krüger

Offensiv bekennt sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock seit Beginn ihrer Amtszeit zu einer „feministischen Außenpolitik“, die für sie auch Waffenlieferungen an die Ukraine rechtfertigen kann. Demgegenüber positioniert sich Alice Schwarzer, eine der prominentesten deutschen Feministinnen in einem offenen Brief in der Frauenzeitschrift Emma im April 2022 ebenso wie in einem Manifest für den Frieden zu Anfang dieses Jahres mit dem Credo, dass eine Einmischung in den Krieg von dritter Seite nur in Form von Verhandlungsforderungen erfolgen dürfe. So konträr diese Positionen auch erscheinen, liegt doch beiden die Überzeugung zugrunde, dass Feminismus eine spezifische Perspektive auf die außenpolitischen Konflikte hervorbringe, eine wichtige Rolle bei der Konfliktlösung spielen und zu einer nachhaltigen Stabilisierung der Friedensordnung beitragen könne.  

Wenn Politiker:innen nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen westlichen Ländern, „feministische Außenpolitik“ zum Programm erklären, schwingt dabei in der Regel die Vorstellung mit, eine historische Wende werde vollzogen. Der Gedanke, dass es geschlechterspezifische Wege der Konfliktlösung und Versöhnung gebe, hat jedoch eine lange Tradition. Schon in den Anfängen der Frauenbewegung führten deren Aktivistinnen ihn als Argument ins Feld, um die Forderung zu untermauern, dass Frauen politisch eine Stimme erhalten sollten. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bemühten sich Feministinnen dann in der internationale Frauenfriedensbewegung gezielt aus einer geschlechterspezifischen Position heraus auf die internationalen Beziehungen Einfluss zu nehmen. Sie waren überzeugt, dass sie damit einen wichtigen Beitrag zu einem nachhaltigen Frieden liefern könnten. Eine wichtige Rolle spielte dabei die biologistische Argumentation, dass Frauen dazu bestimmt seien, Leben zu geben, und daher dem Krieg, der Leben vernichte, entgegenwirken müssten. Auch im sozialen Bereich definierten Frauen ihre besondere geschlechtsspezifische Aufgabe oft darin, eine ausgleichende, versöhnende Funktion zu erfüllen, und begründeten dies ebenfalls mit dem Verweis auf die „Mütterlichkeit“.

Allerdings war die Beschwörung der Mütterlichkeit in diesem Kontext ambivalent, denn sie konnte als wichtiger Baustein der bürgerlichen Geschlechterideologie ebenso dazu dienen, die traditionellen Geschlechterhierarchien zu rechtfertigen. Emanzipationsgegner:innen argumentierten beispielsweise, das politische Engagement von Frauen führe dazu, dass diese ihre Rolle als „Versöhnerinnen“ aufgäben. Darin erblickten sie eine schwerwiegende Gefahr für den sozialen Frieden. Und als geradezu skandalös erschien es vielen Zeitgenoss:innen, wenn Frauen sich ganz bewusst entschieden, anstatt sich für Versöhnung einzusetzen, sogar gewaltsam in Konflikten eingriffen.

Die Tagung möchte die Bedeutung der Kategorie „Geschlecht“ in Konfliktlösungs- und Versöhnungs­prozessen des 19. bis 21. Jahrhunderts aus historischer Perspektive beleuchten. Sie will sich dabei nicht allein auf die historiographisch bereits relativ gut ausgeleuchtete Frauenfriedensbewegung konzentrieren, sondern Forschungen zusammenbringen, die nach Geschlechterzuschreibungen bei verschiedenen Formen von Versöhnungs­bemühungen in unterschiedlichen Konfliktkonstellationen fragt – sei es in der Ehe, im Nachbarschaftsstreit, im Klassenkonflikt oder im Krieg.

Ein besonderes Augenmerk soll dabei auch der Frage gelten, die die Bedeutung von Geschlecht in Konfliktlösungsprozessen aus globalhistorischer Perspektive betrachten. Denn die hier beschriebene Geschlechterideologie war ein europäisches Produkt, ebenso wie auch Konfliktlösungsstrategien in Europa ihr eigenes Gepräge hatten, wobei hier wie dort christlich-religiöse Vorstellungen einflussreich waren. Und für beide Felder waren Europäer:innen vielfach von ihrem zivilisatorischen Vorsprung überzeugt. So verwundert es nicht, dass aus postkolonialer Perspektive heraus auch der Ansatz der „feministischen Außenpolitik“ als westliches Überlegenheitsdenken kritisiert wird. Auch dies gibt Anlass, die zeitgenössischen Vorstellungswelten und Praktiken einer kritischen Analyse zu unterziehen.

Zum Programm

Im Mai 2024 jährt sich die Gründung der Bundesrepublik zum 75. Mal. Obwohl es nach dem Zivilisationsbruch durch den Nationalsozialismus gelang, eine stabile Demokratie zu errichten, trüben düstere Gegenwartsanalysen und pessimistische Zukunftsprognosen das Jubiläum: Die gesellschaftliche Polarisierung, die wachsende Anziehungskraft rechtsextremer und gegenüber Europa distanzierter Positionen, die Angst vor der Globalisierung und die Klimakrise mahnen eine kritische historische Rückschau an.

Mit der frühen Demokratiegeschichte, der Umwelt- und Energiegeschichte, dem internationalen Vergleich, der trans- und internationalen Dimension sowie dem bundesdeutschen Umgang mit der NS-Vergangenheit werden fünf Zugänge gewählt, die besonders gut zur neuen historischen Einordnungen dieser Zeit geeignet erscheinen und die in der Forschung aktuell intensiv diskutiert werden.

Im Rahmen der Tagung findet am 9. April 2024 um 18 Uhr im Bundesrat Bonn, Platz der Vereinten Nationen 7, 53113 Bonn eine Podiumsdiskussion in Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte Bonn statt. Um Anmeldung über die Webseite des Haus der Geschichte Bonn wird gebeten.

Die Tagung findet in Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte Bonn, der Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. sowie dem "Zentrum für die Historischen Grundlagen der Gegenwart" (ZHGG) der Universität Bonn statt.

Zum Tagungsprogramm

Projektverantwortlicher: James Krull

#CommemoratingWW2: Internationale Konferenz in Kooperation mit dem Institute for the Public Understanding of the Past an der University of York.

While the end of the Cold War in December 1991 arguably heralded the start of a new global epoch, the continuance of the ‘memory boom’ testifies to the fact that this did not include letting go of the past. Into the 21st century, our pasts are still of significant public importance, both individually and collectively, and the World Wars have proved to hold particular interest. Take for example the box office success of movies like ‘1917’ or ‘Operation Mincemeat’ and continuing acts of remembrance across the UK, Europe and the Commonwealth, which ensure that the horrors and huge losses of life during war are not forgotten. The new millennium saw the establishment of a UN-wide commemorative day and the construction of several new monuments, including the 2005 inauguration of the Holocaust Memorial in Berlin and the ongoing controversy around the construction of a UK Holocaust Memorial in London.

Nearly 80 years after the end of the Second World War, commemorative events, initiatives, customs and places have not lost (or have regained) their role in the shaping of national identities in Europe. However, over the last 30 years transformation processes have arisen that altered the way commemoration is performed, perceived and participated in. The digital revolution, the declining voice of contemporary witnesses and the increasing temporal and personal distance of younger generations to the commemorated past have led commemorative practices to evolve. Additionally, current political controversies (e.g. Brexit, 2015 European migrant crisis, climate change, Covid-19) as well as new conflicts (e.g. Iraq, Afghanistan, Syria, Ukraine) have influenced the public image of past wars and war crimes.

How has the Second World War been commemorated globally since 1991? How has public perception of and participation in commemorative activity and consumption changed? What strategies have been used to mobilise new technologies and navigate geo-political challenges? What controversies were triggered, narratives adjusted, new formats developed, or new media utilised?

Links: Call for Papers | Programm Anmeldung via Eventbrite

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Christine Krüger

Internationale Konferenz in Kooperation mit dem Center for German and European Studies at the University of Tokyo, Komaba, der TU Dresden und der Universität Leipzig.

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Projektverantwortlicher: Dr. Amerigo Caruso

Tagung an der Universität des Saarlandes

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Publikation: Caruso, Amerigo / Metzger, Birgit (Hg.): Grenzen der Sicherheit. Unfälle, Medien und Politik im deutschen Kaiserreich, Göttingen 2022.

Abgeschlossene Forschungsprojekte

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Christine Krüger

Die sozialen Reformen des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurden von der Angst vor revolutionärem Aufruhr befeuert – so lautet eine beliebte, aber kaum belegte These. Wachsende soziale Spannungen, vor allem die beiden großen Hafenstreiks in London 1889 und Hamburg 1896/97 bedrohten die urbane Sicherheitskultur dramatisch. Christine Krüger zeigt: Durch Revolutionsängste wurden meist Forderungen nach repressiven Maßnahmen laut, die auf sozialen Ausschluss zielten und weniger auf inkludierende Sozialreformen.
Obwohl Sicherheit für viele Epochen ein zentrales politisches Anliegen darstellt, sind ihre verschiedenen konzeptionellen Entwürfe in den urbanen Zentren des 19. Jahrhunderts bislang kaum im Detail untersucht worden. In ihrer spannenden Studie vergleicht Christine Krüger erstmals die verschiedenen urbanen Sicherheitsentwürfe, hinterfragt die oft drastischen Reaktionen und korrigiert scheinbare Eindeutigkeiten in alten Grundannahmen.

Das Projekt war Teil des SFB/TRR 138 "Dynamiken der Sicherheit. Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive" der Philipps-Universität Marburg und der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung.

Publikation: Krüger, Christine: „Die Scylla und Charybdis der socialen Frage“. Urbane Sicherheitsentwürfe in Hamburg und London, ca. 1880-1900, Bonn 2022.

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